Gründerin Sandy Katzer über DermaKIDS

Zehn Fragen an Dermakids Gründerin Sandy Katzer

Wie sind Sie auf die Erkrankung Epidermolysis bullosa aufmerksam geworden?

 

Während meiner Arbeit bei einem internationalen Medizinproduktehersteller kam ich das erste Mal mit EB in Berührung. Dabei lernte ich viele Schmetterlingskinder persönlich kennen und hatte einen Einblick in den Alltag betroffener Familien.

 

Warum haben Sie DermaKIDS e.V. gegründet?

 

Im Gespräch mit betroffenen Familien wurde ich häufig mit den Defiziten unseres Gesundheitssystems konfrontiert. Oft waren unbeantwortetet Fragen und die daraus resultierenden Ängste das Problem und es fehlte eine Bezugsperson, die mit Rat und Tat beistehen konnte. Als ich feststellte, dass meine bereits gewonnenen Erfahrungen im Bereich Epidermolysis bullosa von den Familien dankbar angenommen wurden, wusste ich, dass ich noch mehr für sie tun kann. Mit diesem Gedanken gründete ich Anfang 2010 zusammen mit sechs engagierten Gründungsmitgliedern unseren Verein DermaKIDS e.V..

 

Was sind Ihre persönlichen Ziele, die Sie mit DermaKIDS verfolgen?

 

Ich verstehe mich selbst als sozial engagierte Unternehmerin. Mir ist es wichtig, soziale Verantwortung zu übernehmen und meinen unternehmerischen Erfolg mit anderen zu teilen. Ich kann auf über zehn Jahre Erfahrung mit epidermolysis bullosa zurückblicken und die Anfänge waren sehr schwierig. Aufgrund mangelnder Aufklärung und Information bei von EB betroffenen Familien habe ich schlimme Zustände miterleben müssen. Ich lernte Familien an ihrer absoluten Belastungsgrenze kennen, die nicht selten kurz davor waren, an der Herkulesaufgabe EB zu zerbrechen. Genau deshalb gibt es unseren schnellen und schlagkräftigen Verein, um solche wirklichen Extremzustände direkt verändern oder im Idealfall präventiv verhindern zu können. Zu sehen, wie sich die Lebens- und Versorgungsqualität der Schmetterlingskinder und ihrer Familien durch schnelle Hilfe, sensible Beratung und Aufklärung vor Ort erheblich verbessern kann, macht mich sehr glücklich. Diesen unkonventionellen Hilfsansatz möchte ich weiter vorantreiben, damit jede Familie mit einem EB-Kind oder auch mehreren EB-Kindern die bestmögliche Versorgung erfährt. Mein Ziel ist es, unsere Gesellschaft mit meinen Möglichkeiten positiv zu verändern.

 

DermaKIDS setzt sich für die Verbesserung der Versorgungsstruktur von EB-Patienten ein. Wo sehen Sie aktuell Lücken?

 

Das Gesundheitssystem in Deutschland gehört zu den Besten der Welt und darauf können wir stolz sein. Aber bei Patienten mit Seltenen Erkrankungen wie EB stößt es heute noch an seine Grenzen. Über diese Erkrankungen ist wenig Wissen im System – sei es bei Ärzten, bei Kostenträgern oder auch bei Pflegekräften – und das hat schwerwiegende Folgen für die Betroffenen. Ich möchte nur einige nennen: Unklarheiten bei der Diagnosestellung, Probleme bei der richtigen Einordnung in eine Pflegestufe, keine Kostenübernahme für dringend benötigte Medikamente, Hilfsmittel und Medizinprodukte, zu wenig speziell ausgebildete Pflegekräfte oder keine flächendeckenden Beratungs- und Hilfsangebote, gerade auch in Bezug auf psychosoziale Aspekte.

 

Fiel es Ihnen leicht, den Kontakt zu den Familien aufzubauen?

 

EB ist eine unglaubliche Herausforderung für jede betroffene Familie, trotzdem gehen sie ganz unterschiedlich mit dieser schwierigen Aufgabe um. Ich kenne Fälle, in denen sich Familien stark aus ihrem sozialen Umfeld und ihrem Bekanntenkreis zurückgezogen haben. Auch für uns war der Kontaktaufbau zu diesen Betroffenen fast unmöglich und erforderte mehrere Anläufe, viel Ausdauer und Einfühlungsvermögen. Wenn das erste Eis gebrochen ist und die Erfolge unserer Arbeit für die Familien zu sehen und zu spüren sind, dann bekommen wir viel positives Feedback, wie: „Hätten wir den Kontakt zu euch und eure Hilfe doch viel früher gehabt, ihr helft ja wirklich.“ Viele Betroffene berichteten uns, nachdem sie uns näher kennen, dass sie schlechte Erfahrungen mit „Hilfe“ gemacht hätten, die in manchen Fällen mehr Schaden verursacht habe, als tatsächlich zu helfen. Die Vorsicht dieser Familien gegenüber von außen kommenden Hilfsangeboten kann ich insofern gut nachvollziehen. Es gibt aber auch ganz andere Familien, die eine offene und fast kämpferische Haltung zu EB entwickelt und die Seltene Erkrankung für sich als Lebensaufgabe angenommen haben. Sie gehen aktiv auf ihre Mitmenschen zu, wollen informieren, aufklären und sich vernetzen. Diese engagierten Familien freuen sich über jeden neuen Kontakt, mit dem sie ihre eigenen Erfahrungen austauschen können. Von ihnen wurden wir mit offenen Armen empfangen.

 

Worauf ist im Umgang mit EB-Erkrankten besonders zu achten?

 

EB löst bei vielen Menschen Vorurteile und Berührungsängste aus. Dementsprechend neigen sie zu übertriebener Vorsicht oder verzichten aus Unsicherheit lieber gleich auf den Umgang mit den Erkrankten. Ich würde diesen Menschen empfehlen, sich nicht von ihren Vorurteilen oder Berührungsängsten leiten zu lassen. Gehen Sie offen auf die Betroffenen zu und fragen Sie einfach. Die meisten EB-Familien sind sehr offen und dankbar, wenn man auf sie zugeht und fragt.

 

Epidermolysis bullosa kämpft wie viele andere Seltene Erkrankungen mit der Unsichtbarkeit. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?

 

Im Bereich Seltene Erkrankungen ist in den letzten Jahren einiges passiert. Ganz so unsichtbar, wie sie noch vor Jahren waren, sind Erkrankungen wie EB nicht mehr. Das merken wir auch an der positiven Resonanz auf unsere Arbeit. Trotzdem zeigen die vielen fragenden Blicke, die einem tagtäglich auch bei Menschen im Gesundheitswesen begegnen, dass noch eine Menge zu tun ist. Nur wer sich mit einer Erkrankung gut auskennt, kann z.B. Betroffene adäquat beraten oder Versorgungsleistungen richtig einschätzen. Das sind wichtige Voraussetzungen für eine Verbesserung der Versorgungssituation von Betroffenen. Für die vor uns liegenden Jahre gibt der von der EU und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiierte „Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“ wichtige Impulse, die es bestmöglich zu nutzen gilt. Stichworte: Patienteninformationen, Patientenregister, Vernetzung, Hilfe zur Selbsthilfe, Versorgungszentren und -netzwerke sowie internationale Forschung. Der Aktionsplan wurde vom Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) entwickelt, einem Zusammenschluss zwischen dem BMG, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (Achse e.V.) sowie allen Spitzen- und Dachverbänden aus dem Gesundheitswesen.

 

Welche Resonanz haben Sie von den Familien erhalten?

 

Wir bekommen sehr viel positives Feedback auf unsere Arbeit. Die betroffenen Familien sehen uns als zuverlässige Stütze und als persönlichen Ansprechpartner, an den sie sich jederzeit wenden können.

 

Was sind die schönsten Momente Ihrer Arbeit?

 

Die schönsten Momente sind für mich persönlich, wenn ich in die freudestrahlenden Augen einer betroffenen Familie schauen kann oder im Gesicht eines Schmetterlingskindes ein Lächeln erblicke. In solchen Momenten weiß ich, dass unsere Hilfe richtig ist und genau das erreicht, was wir bewirken wollen.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von DermaKIDS e.V.?

 

Wir haben anlässlich unseres fünfjährigen Vereinsjubiläums verschiedene, von uns betreute Familien befragt. Wir wollten unter anderem von ihnen wissen, welche Wünsche sie für die Zukunft von DermaKIDS haben. Als Antwort hörten wir wiederholt: “Bleibt so, wie ihr seid.” Ein schöneres Feedback kann man für seine Arbeit gar nicht bekommen und genau so ein Feedback wünsche ich mir auch für unser zehntes Jubiläum. Um zukünftig noch mehr betroffenen Familien möglichst frühzeitig helfen zu können, würde ich mir allerdings wünschen, dass wir noch schneller Kontakt zu Neugeborenen mit EB bekommen.